Nach dem Hype der Erneuerbaren Energien hat Semikron-CEO Harald Jäger das Unternehmen wieder auf einen guten Kurs gebracht. Neben dem Angebot an innovativen Modulkonzepten und dem erfolgreichen Engagement von Semikron mit Invertern für den Elektro- und Hybridbusmarkt setzt er wieder verstärkt auf eine wesentlich breitere Produktpalette.

2015 dürfte sich auch für SEMIKRON bislang recht gut entwickelt haben. Welches Umsatzziel streben Sie an, und wie verteilt sich dieser Umsatz?

Harald Jäger: Nach rund 480 Millionen Euro im letzten Geschäftsjahr steuern wir für 2015 nun ein Umsatzniveau von etwa 500 Millionen Euro an. Das ist weniger als zu den Hochzeiten der Erneuerbaren Energien, aber wir haben uns in den letzten beiden Jahren auf einem sehr guten Niveau stabilisiert. Auch wenn die Unternehmensgeschichte der Semikron von Beginn an sehr international ausgerichtet war und wir beispielsweise bereits seit den 1960er Jahren in Brasilien mit einer eigenen Niederlassung aktiv sind, so erzielen wir doch noch immer über die Hälfte unseres Umsatzes in Europa! Auf Asien entfallen inzwischen etwa 35 Prozent und auf den amerikanischen Kontinent 11 Prozent Berücksichtigen muss man dabei aber auch, dass ein nicht unerheblicher Anteil des Asienumsatzes auf Designs aus den USA beruht. In China ist Semikron mit eigener Produktion bereits seit zehn Jahren präsent.

Für das höhere Umsatzniveau war ja unter anderem der Windkraftboom in China verantwortlich. Dann ist der Staat dort auf die Bremse getreten. Wie stellt sich das Thema Erneuerbare Energien in China heute für Sie dar?

Wir erzielen etwa die Hälfte unseres Umsatzes traditionell mit Applikationen im Bereich Industrieantriebe und USV. Der Anteil der Erneuerbaren Energien hat sich inzwischen bei leicht über 20 Prozent stabilisiert. Vor einigen Jahren lag er bei einem Drittel des Gesamtumsatzes. Wir haben die staatlichen Korrekturen auf dem chinesischen Windmarkt gut überstanden. Heute basieren 38 Prozent aller Neuinstallationen im Windbereich weltweit auf Semikron-Lösungen. Das mag vor allem daran liegen, dass wir den Kunden je nach Bedarf entweder Hochleistungs-IPMs wie unsere SKiiP, Stacks oder Module anbieten können. Aber natürlich ist es auch wichtig, sich als stets zuverlässiger Lieferant für die zukunftsträchtigsten Kunden in China zu etablieren. Und das ist uns gelungen.

Semikron beliefert auch Solarinverter-Hersteller. Wie stellt sich die Situation dort dar?

Das PV-Geschäft hat sich in den letzten Jahren stark internationalisiert. Hier profitieren wir sicherlich auch von unserer langjährigen internationalen Aufstellung und Erfahrung. Ein Beispiel dafür ist der sich zuletzt sehr dynamisch entwickelnde indische PV-Markt. Wenn die Regierung Modi ihre Pläne in diesem Bereich auch nur zu einem Teil erfolgreich umsetzen kann, zieht das für Semikron einen großen Bedarf an Leistungselektronikkomponenten nach sich. Über unsere Niederlassung in Mumbai verfolgen wir die Marktentwicklung in Indien sehr genau und sind für Wachstum entsprechend gerüstet.

Sie erzielen nach wie vor etwa die Hälfte Ihres Umsatzes in Europa. Wie sehr hat sich die Wechselkursentwicklung im Verhältnis Dollar zu Euro in den letzten eineinhalb Jahren auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Bezogen auf den Export unserer Produkte, haben wir ganz klar Einkaufsvorteile durch die Entwicklung der letzten zwei Jahre. In Summe würde ich sagen, wir haben mehr von dieser Situation profitiert, als dass sie uns in der Geschäftsentwicklung geschadet hätte.

Vor kurzem hat die FED entschieden, den Zinssatz in den USA nicht anzuheben. Bedeutet dass, bis Ende 2016 steht weiter weltweit billiges Geld für Investitionen in Infrastruktur und Energietechnik zur Verfügung?

Zinsniveaus waren immer schon ein wichtiges wirtschaftspolitisches Instrument. Wie groß bei solchen Entscheidungen der Einfluss der Realwirtschaft ist, möchte ich einmal dahingestellt lassen. Die Entscheidung der FED könnte durchaus Einfluss auf Projekte haben, deren Finanzierung bislang nicht gesichert war. Bleibt es bei diesem niedrigen Zinsniveau, gehe ich davon aus, dass wir bis Ende 2016 nicht mit großen, unvorhersehbaren Bedarfsschwankungen konfrontiert werden.

Wollen Sie den Standort Nürnberg noch weiter ausbauen, oder richten sich Ihre Anstrengungen in Zukunft vor allem auf die Entwicklungs- und Produktions-standorte im Ausland?

Wir beschäftigen heute rund 1300 Mitarbeiter in Nürnberg. Noch haben wir gewisse räumliche Möglichkeiten für innovative Produktionslinien, viele der neuen Standardmodule werden aber am Standort Semikron Slowakei laufen. Als Entwicklungszentrum behält Nürnberg natürlich die zentrale Bedeutung für die gesamte Firmengruppe. Mit unserer 6-Zoll-Bipolar-Chip-Fertigung sind wir aktuell sehr zufrieden, weitere massive Investitionen in die eigenen Halbleiterfertigungs-Aktivitäten sind aber nicht geplant. Wir investieren stattdessen stark in F&E für neue Lösungen im Bereich Aufbau- und Verbindungstechnik sowie in Automatisierung. Semikron ist einer der Pioniere im Einsatz von Sintertechnologien für Leistungselektronikmodule. Bereits 2007 haben wir das erste Produkt basierend auf Sintertechnologie vorgestellt. In diese Technologie wird auch weiterhin stark investiert. Daneben planen wir unsere Kernkompetenzen im Bereich SKAI-Komplettumrichter für den Bus- und Nutzfahrzeugbereich weiter stark auszubauen. Der größte Anteil unsere Umsätze mit SKAI liegt aktuell aber ganz klar im extrem schnell wachsenden chinesischen Markt.

Auch bei den Wide-Band-Gap-Materialien wie SiC und GaN erhöht sich die Zahl der Anbieter. Wie weit ist die Integration dieser Technologien in Semikron-Lösungen bislang gediehen?

Für die SiC-Player sind wir als Kunde mit großem Einkaufsvolumen natürlich äußerst attraktiv. Ein simpler Ersatz von IGBT durch SiC in einem klassischen Leistungshalbleitermodul kann das Potenzial allerdings nicht heben, das in diesem Material steckt. Unser Fokus bei den SiC-Modulen liegt daher auf Lösungen, die mit klassischen Modulaufbauten nicht machbar sind. Die notwendigen Produktionsverfahren für extrem niederinduktive und zuverlässige Modulaufbauten sind bei uns verfügbar. Der Einsatz dieser Module lohnt sich aufgrund der hohen SiC-Chipkosten heute nur dort, wo sie über Systemvorteile wirklichen Mehrwert für den Kunden bieten. Ich gehe vor diesem Hintergrund davon aus, dass es sicher noch einige Jahre dauern wird, bis Full-SiC-Module eine Normalität auch in Standard-Umrichtern sein werden.

Und wie beurteilen Sie die zahlreichen Anstrengungen im GaN-Bereich?

Hier hat sich technologisch in den letzten sechs bis neun Monaten einiges getan. Vom Poten-zial her sehe ich GaN vor allem in schneller schaltenden Solarinverter- und USV-Anwendungen. Wir stehen in Kontakt mit verschiedenen Herstellern und beschäftigen uns in der Entwicklung auch mit für GaN geeignete Lösungen. Auch hier gilt wie bei SiC: Ein simples »Replacement« bringt wenig, die Möglichkeiten von GaN kann ich nur dann wirklich ausschöpfen, wenn ich dieses Material in den System-ansatz meiner Lösung einbeziehe.

Semikron scheint sich von einem Spezialisten immer mehr in Richtung eines Broadliners zu entwickeln. Warum haben Sie diesen Weg eingeschlagen?

Nach wie vor ist Semikron anerkannter Spezialist für innovative Produkte und Technologien in der Leistungselektronik. Das ist unabdingbare Basis für die Entwicklung von kostengünstigen und zuverlässigen Komponenten und Modulen. Allerdings fordert der Markt heute eben auch verstärkt austauschbare Standardprodukte. Ein Effekt eines zunehmend großen Nachfragemarktes – diesem Trend stellen wir uns und haben daher in den letzten zwei bis drei Jahren eine allseits begrüßte Portfolio-Erweiterung vollzogen. Wir kommen viel besser mit dem Kunden ins Geschäft, wenn wir neben Single-Source-Produkten eben auch Standardprodukte im Programm haben. So gesehen, entwickeln wir uns Schritt für Schritt zu einem Vollsortimenter und bauen natürlich auch weiterhin auf hohe Kompetenz für kundenspezifische oder eben auch Single-Source-Lösungen.

Semikron hat sich in der Vergangenheit in Zusammenarbeit mit Magna stark im Forschungsbereich Automotive engagiert. Liegt Automotive nach wie vor in Ihrem Fokus?

Semikron ist nach wie vor stark im Bereich Automotive engagiert. Für EV/HEV-PKW bieten wir heute allerdings keine Komplettumrichter mehr an – als Tier 1 für diese Kunden ist Semikron sicherlich nicht groß genug. Unser Produktprogramm erstreckt sich hier auf einige gesinterte Modultypen, die in Europa, aber auch in China, erfolgreich eingesetzt werden. Großen Erfolg verzeichnen wir im Bereich Komplettumrichter für den Einsatz in Elektro- und Hybridbussen. Das Stückzahlvolumen ist im Vergleich mit PKW-Großserien sicherlich sehr viel kleiner, sorgt aber für uns für einen deutlichen Umsatzschub und bietet auch weiterhin großes Potenzial. Bus- und Nutzfahrzeuge-OEMs sowie Systemintegratoren nutzen unsere Stückzahlbündelungseffekte und unsere freigegebene Serienproduktionslinie. An dieser Stelle können wir dann das ganze Spektrum unserer Kompetenzen nutzen, über die Semikron verfügt. So fällt in diesem Bereich die Make-or-Buy Entscheidung dann eben doch häufig pro Semikron aus.

Ein anderes Thema sind Kooperationen im Bereich Gehäusetechnik. Hier hat es in den letzten Jahren viel Bewegung gegeben. Wird sich das fortsetzen?

Wir stehen hier der kürzlich vorgestellten Open-Source-Initiative von ABB und Siemens offen gegenüber. Hier geht es um Leistungshalbleiter-Module im MV-Bereich für Applikationen im Leistungsbereich von 50 bis 500 kW. Definiert sind Gehäuseform, Abmessungen und die Schnittstellen zum Zwischenkreis und zur Ansteuerelektronik. Die Differenzierung der Modulhersteller kann dann über die unterschiedlichen Schaltungskonzepte sowie die Aufbau- und Verbindungstechnik erfolgen, die im Modul realisiert wird. Letztlich kann der Kunde eine Standardkomponente verwenden, die sich in Performance und Reliability aber durchaus von Anbieter zu Anbieter unterscheiden kann – ein in unseren Augen absolut unterstützenwertes Konzept.

Eine Herausforderung stellen die nach Deutschland strömenden Flüchtlinge dar. Aktuell wird über die Möglichkeit ihrer Integration in die deutsche Wirtschaft diskutiert. Sehen Sie in dieser unerwarteten Zuwanderung eine Lösung für den beklagten Facharbeitermangel?

Unsere internationale Ausrichtung spiegelt sich in den zahlreichen Nationalitäten unserer Mitarbeiter wider. Entscheidend für eine Integration von Flüchtlingen in die deutsche Wirtschaft sind zuerst einmal sicherlich ausreichende Sprachkenntnisse. Diese Zuwanderung bietet sicherlich Chancen, mit der konkreten Möglichkeit der Integration haben wir uns bisher noch nicht eingehend beschäftigt. Wir werden jetzt erst mal Kontakt mit den entsprechenden Stellen in Nürnberg aufnehmen. Ende des Jahres kann ich Ihnen zu diesem Thema vielleicht schon mehr sagen.